Stellungnahme zum Raumordnungsverfahren (ROV) Brenner-Nordzulauf für den Abschnitt Gemeinde Tuntenhausen – Gemeinde Kiefersfelden (Staatsgrenze Deutschland/Österreich)

Unsere Stellungnahme zum Raumordnungsverfahren, wie wir diese an die Regierung von Oberbayern übergeben haben:

Sehr geehrte Damen und Herren, 

alle geplanten Neubautrassen des BBT-Nordzulaufs sind aus ökologischen Gründen, besonders unter den Gesichtspunkten des Klimaschutzes abzulehnen. Die Geologie der Region macht es zwingend notwendig, jedwede Neubaustrecke entweder auf aufwendigen Brückenkonstruktionen oder in Tunnelröhren zu führen. Der hierfür zum Einsatz kommende Zement und Beton führt das Projekt als Baustein der CO2 Reduktion und Einhaltung der Pariser Klimaziele ad absurdum. Statistiken belegen fortlaufend, dass je produzierter Tonne Zement, nahezu 0,6 Tonnen CO2 anfallen. Der Stromverbrauch für die Produktion einer Tonne Zement belief sich 2017 auf 110 Kilowattstunden. Seit 2010 ist der Energieverbrauch nahezu konstant geblieben, Tendenz nicht fallend. 

Auf dieser Datenbasis (statista. 2019. Zementindustrie in Deutschland. https://de.statista.com/statistik/studie/id/6505/dokument/zementindustrie-statista-dossier) ergibt sich für die geplanten Neubaustrecken eine ruinöse CO2 Bilanz – ein Projekt, welches sich mit einer solchen Hypothek als Baustein der Klimawende präsentiert, ist scheinheilig. Besonders vor folgendem Hintergrund ist das Vorhaben noch um ein Vielfaches kritischer zu betrachten, denn die Bundesregierung hat 

  • bis heute keine Strategie vorgelegt, wie eine massive Verlagerung des Güter- und Personenverkehrs bundesweit und international auf die Schiene erfolgen kann 
  • kein Gesamtkonzept vorgelegt hat, wie ein das Schienennetz bundesweit ausgebaut werden muss, um eine massive Zunahme des Eisenbahnverkehrs zu ermöglichen 
  • keine Ansätze zu einer adäquaten Einpreisung der Folgekosten des Verkehrs oder anderer Strategien zur Verkehrsvermeidung verfolgt 
  • keine Planungen verfolgt, wie der Mehrverkehr auf der Schiene infolge des Brenner-Basistunnels jenseits des Planungsabschnitts Staatsgrenze-Grafing hinaus weitergeführt werden soll (Knoten München, Rosenheim-Mühldorf, Rosenheim-Freilassing). 

Ferner muss beim Bau anfallendes Material, im Bereich Kolbermoor / Bad Aibling (Varianten „Gelb“, „Türkis“ und „Oliv“) der unter Einheimischen eher berüchtigte denn berühmte Seeton (Flins), ebenfalls mit hohem Transportaufwand in anderen Regionen entsorgt werden. Ein weiterer Beitrag zur Klimahypothek des Projekts. 

Im Verlauf der Trassenführung in diesem Bereich, werden ferner Moorgebiete tangiert, deren Funktion im heimischen Ökosystem eine herausragende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zukommt. Auch an dieser Stelle konterkariert also die Neubaustrecke ihren Anspruch auf Klimaschutz. 

Ferner soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Verkehrswende selbstverständlich einer der Hauptbestandteile zur Einhaltung der Pariser Klimaziele darstellt. Der Investitionsbedarf seitens der Deutschen Bahn ist enorm und wird nicht unwesentlich durch Steuergelder in Milliardenhöhe finanziert. Umso mehr muss sich der Steuerzahler gewiss sein, dass eben diese Milliarden sorgsam und zielführend eingesetzt werden. „Think big“ entspricht in diesem Zusammenhang nicht einer verantwortungsvollen Verwendung der Mittel – der Gedanke an Stuttgart 21 drängt sich unweigerlich auf – denn die Verkehrswende muss im gesamten Bundesgebiet gleichmäßig und vehement vorangetrieben werden. 

Umweltschutz – ja bitte! Klimaschutz – unbedingt! Investitionen – weise und mit Augenmaß! 

Was wir ablehnen: ein undurchdachtes Prestigeprojekt, das in keinster Weise alternativlos ist und bei dem sich starke Zweifel an einer besonnenen Kosten-Nutzen-Kalkulation verdichten. 

Im Raumordnungsverfahren beantragen wir neben den fünf eingereichten Grobtrassen, die Ertüchtigung und den Ausbau der Bestandsstrecken Kiefersfelden- Rosenheim, München-Ost – Rosenheim, Holzkirchen- Rosenheim und Rosenheim – Mühldorf (Oberbayern) zu prüfen. Dies entspricht zum einen dem Grundsatz des Bundesverkehrswegeplanes „Erhalt vor Neubau“, zum anderen stärkt es den Schienenknoten Rosenheim durch Umleitungsmöglichkeiten. Die Bestandsstrecke hat auch die Voraussetzungen die Kapazität für den Brennerzulauf zu sichern und den Straßenverkehr auf die Schiene zu verlagern. 

Wir lehnen daher die Planung der Neubaustrecken in dem Raumordnungsverfahren ab! 

Mit freundlichen Grüßen 

Stadtratsfraktion von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Kolbermoor
Vorstand und Mitglieder des Ortsverbandes BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Kolbermoor 

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