Die Stadtratssitzung im Mai hat es gezeigt: die Versorgungslage mit Betreuungsplätzen für unsere jüngsten Einwohner*innen ist angespannt, manch einer würde sogar das Wort „besorgniserregend“ in Erwägung ziehen. In einem groben Überblick, hat die Stadt daher einige Maßnahmen vorgestellt, die der Behebung dieses Sachverhalts dienlich sein könnten.
Die Umnutzung eines Teils der Pauline-Thoma-Mittelschule scheint in diesem Zusammenhang eine offensichtliche und kurzfristig umsetzbare Teillösung des Problems. Das Gebäude steht, der Platz ist derzeit ungenutzt, bessere Voraussetzungen finden sich so spontan sicher nicht oft.
Anders sieht es jedoch bei einer Erweiterung (Verdoppelung von 40 auf 80 Plätze!) des derzeit geplanten Kindergartens an der Hölderlinstraße aus. Der erhöhte Platzbedarf führt an dieser Stelle unweigerlich zu einer erhöhten Zerstörung der derzeit unberührten Natur vor Ort. Und genau diese Natur ist für zukünftige Generationen wertvoll und schützenswert! Abgesehen davon ist es eher unwahrscheinlich, dass eine Erweiterung auf 80 Betreuungsplätze an dieser Stelle ungebremste Euphorie bei den Anwohnern auslösen wird. Die Vorstellung von Menschen, die am Gartenzaun frenetisch den enorm gestiegenen Verkehr im Wohngebiet bejubeln und jeden herzlich dazu einladen, ihre Einfahrt zuzuparken, besitzt jedoch zweifellos einen gewissen Charme.
Bleibt noch die Idee, eine Kindertagesstätte im Neubaugebiet (Conradty) entstehen zu lassen. Betreuungsplätze an der Stelle einzurichten, an der auch viele Menschen, die diese nutzen möchten, leben werden, klingt, als könnte das eine revolutionäre Idee sein, der ganz große Wurf sozusagen! Kurze Wege, geringes Verkehrsaufkommen, Zeitersparnis für berufstätige Eltern – man könnte glatt ins Schwärmen geraten.
An dieser Stelle endet jedoch leider der mit reichlich Augenzwinkern versehene Ausblick auf die Situation unserer Kindergärten. Hat man nämlich die Standorte gefunden, ist man mit dem eigentlichen Problem konfrontiert: die personelle Ausstattung der Einrichtungen. Es ist kein Geheimnis, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt gerade in diesem Bereich extrem angespannt ist. Oder salopp formuliert könnte man auch einfach feststellen, dass Erzieher*innen nicht auf Bäumen wachsen. Es ist also vermutlich realistisch, davon auszugehen, dass es einiger Anstrengungen und einem Bündel an Maßnahmen bedarf, um das nötige Personal für die Einrichtungen zu finden.
Eine dieser Maßnahmen ist in unseren Augen die sogenannte Ballungsraumzulage. Sie ist mit Sicherheit kein Allheilmittel gegen Fachkräftemangel, aber eben ein Puzzleteil, das man aus vielerlei Gründen befürworten sollte. Bei der Betrachtung dieser Gründe wagen wir uns nun vor in die soziale, marktliberale und gendergerechte Argumentation.
Wertschätzung von Arbeit, besonders von systemrelevanter, ist derzeit ein beliebtes Thema, welches viele gerne im Munde führen. Und eigentlich scheint es, als wäre die Wertschätzung von Arbeit auch ganz leicht auszudrücken, nämlich in angemessener, also wertschätzender Bezahlung. Wenn man sich also darüber im Klaren ist, dass eine Berufsgruppe wertvolle Dienste an der Gesellschaft leistet und dafür eher unattraktiv entlohnt wird, dann sollte man ohne zu zögern eine Social Media Kampagne starten um sicherzustellen, dass pünktlich um 18:00 Uhr ein erheblicher Teil unserer Bevölkerung bei offenem Fenster klatscht, bis die Hände glühen… oder man sollte sich einfach dafür einsetzen, die Bezahlung zu verbessern. Die Auszahlung der Ballungsraumzulage in unserer Region, deren Preisgefüge leider in den Sog der Münchner Lebenshaltungskostensteigerung gelangt ist, wäre somit eine Option.
Und den Vorwurf der Preistreiberei für die Gehälter in Erziehungsberufen muss man sich dabei auch nicht machen lassen, denn jetzt kann man auch als Grüne mal den ganz großen Knüppel aus dem Sack lassen: den freien Mark. Denn wie uns ja seit Anbeginn der Ökonomie glaubhaft versichert wird, regelt der Markt alle Probleme alleine, selbständig und von Zauberhand. Und einer gewissen Logik kann man sich an der Stelle auch nicht entziehen, denn wenn ein Gut (in unserem Fall die Arbeit von Erzieher*innen und Kinderpfleger*innen) stark nachgefragt wird, so steigt der Preis für dieses Gut. Will man also von diesem Gut etwas abhaben, so muss man den Preis dafür zahlen, z. B. zuzüglich Ballungsraumzulage. Lieber Markt, an dieser Stelle bin ich ganz bei dir.
Und wo wir nun so gut in Fahrt sind, wollen wir uns noch ausmalen, was bessere Bezahlung in Erziehungsberufen für nachhaltige Folgen in unserer Gesellschaft hervorbringen könnte. Nur mal angenommen, die Vergütung wäre so attraktiv, dass sich mehr Männer für diese Berufsgruppe entscheiden würden, wie würde sich dies wohl auf die Gleichberechtigung der Geschlechter in unserer Gesellschaft auswirken? Könnten ganz neue Impulse in der Erziehung kommender Generationen entstehen? Könnte man schon jetzt den antiquierten Nimbus des Alleinversorgers zu Gunsten einer gerechten Aufteilung der Familienarbeit ersetzen und Väter entlasten, die sich aktiv ins Familienlaben einbringen möchten? Eine nicht unerreichbare Vorstellung, sofern sich die als typisch weiblich konnotierten Berufe in der Vergütung über die Kategorie eines erweiterten Zuverdienstes erheben können. An dieser Stelle möchte ich die „Utopie für Fortgeschrittene“ beenden, denn die Ballungsraumzulage ist in dieser Hinsicht zugegebenermaßen doch überfordert. Ein guter Start in die richtige Richtung ist sie jedoch allemal.
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