Ja zu Versammlungs- und Meinungsfreiheit – Nein zu Verschwörungsmythen und rechtem Hass

Für Solidarität, Menschenwürde und Fakten – auch in Krisenzeiten

Unser GRÜNES Ziel ist weiterhin die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und die negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft, das öffentliche Leben und die Wirtschaft abzufedern.

Gesundheitsschutz und Infektionsschutz sicherstellen

Die Coronavirus-Pandemie breitet sich weiterhin aus. Die Reproduktionszahl, die durchschnittliche Anzahl an Menschen, die eine infizierte Person ansteckt, muss unter 1 gehalten werden, um eine Versorgung von COVID-19 Erkrankten in unserem Gesundheitssystem sicherstellen zu können. Da die Fallzahlen insgesamt sinken, müssen voraussichtlich vor allem lokale Ausbrüche in den Blick genommen werden. Daher fordern wir GRÜNE ein bundesweit einheitliches Ampel-System mit verschieden Stufen für lokale Corona-Einschränkungen bei steigenden lokalen Infektionen, endlich eine optimale Schutzausrüstung sowie die strukturierte Ausweitung von Testungen. Medikamente oder Impfstoffe werden aller Voraussicht nach nicht vor dem Jahr 2021 zur Verfügung stehen.

Solidarität zeigen

Wir GRÜNE stehen auch in der Corona-Krise für sozialen Zusammenhalt und für einen solidarischen Umgang in der Gesellschaft. Wissenschaftlich nachgewiesene Gefahren zu leugnen, anderen Menschen absichtlich zu nahe zu treten oder Hygiene- und Abstandsregeln nicht einzuhalten ist unverantwortlich und gefährlich. Wir stellen uns klar einer Spaltung der Gesellschaft entgegen und unterstützen mit Nachdruck Nachbarschaftshilfe und zivilgesellschaftliches Engagement in dieser Krise. Staatliche Unterstützung und Maßnahmen für besseren Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt, für bessere Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung von Beschäftigten in systemrelevanten Berufen, für Rentnerinnen und Seniorinnen, Familien mit kleinen Kindern, Alleinerziehenden, sowie Menschen mit Behinderung fordern wir eindringlich ein und bringen sie voran.

Ja zu Versammlungs- und Meinungsfreiheit – Nein zu Verschwörungsmythen und rechtem Hass

In mehreren Städten in Bayern sind in den vergangenen Tagen Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Anti-Pandemie-Maßnahmen, eine „Gleichschaltung der Presse“, ein „Notstands-Regime“ und Weiteres zu demonstrieren. Abstandsregeln wurden dabei in mehreren Fällen nicht eingehalten und die angemeldeten Teilnahmezahlen um ein Vielfaches überschritten. Bei den Demonstrantinnen handelte es sich nicht um eine homogene Gruppe, sondern das Spektrum reichte von Mitgliedern des extrem rechten Milieus über Verschwörungsideologinnen und Impfgegner*innen bis hin zu Menschen, die bisher politisch nicht in Erscheinung getreten sind. Demonstriert wird dabei aus ganz unterschiedlichen Beweggründen: manche wollen lediglich Kritik an den Maßnahmen formulieren, andere leugnen die Existenz des Coronavirus und wieder andere nutzen die Demonstrationen für extrem rechte und antisemitische Hetze. Gerade letzteres ist sehr beunruhigend und gefährlich. Teile der extremen Rechten haben die Anti-Corona-Demonstrationen als neues Betätigungsfeld für sich entdeckt und dominieren diese teilweise inzwischen mit ihren kruden Theorien und Parolen. Dennoch beteiligen sich auch sehr viele Menschen an den Demonstrationen, die sich eindeutig nicht dem extrem rechten Milieu zuordnen lassen. Die Unsicherheiten innerhalb der Corona-Pandemie auszuhalten fällt vielen Menschen offenbar schwer. Vermeintlich einfache Antworten und Erklärungen, die die eigene Weltsicht bestätigen, helfen bei der Strukturierung, geben Orientierung und lassen Menschen an einer Gruppe teilhaben. Das darf aber nicht als Ausrede oder Entschuldigung gelten – es liegt in der Eigenverantwortung von jeder und jedem, sich klar von Rechtsextremismus und Antisemitismus abzugrenzen.

Gleichermaßen liegt es in der Verantwortung der politischen Entscheidungsträgerinnen, ihre Maßnahmen gegen die Pandemie sorgfältig nach wissenschaftlichen Kriterien auszuwählen und anzupassen, mögliche Schäden abzuwägen und die Entscheidung allen Menschen immer wieder transparent und verständlich zu erklären. Die Einschränkung eigener Freiheits-Grundrechte mit dem Ziel, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit zu erhalten, wird in der Bevölkerung nur Akzeptanz finden, wenn sie immer wieder neu abgewogen und begründet wird. Wir GRÜNE in Bayern halten deswegen eine politische Debatte darüber, welche Maßnahmen im Augenblick die richtigen sind, wie Infektionsschutz für die Gesellschaft umgesetzt und COVID-19-Erkrankten am besten geholfen werden kann, für zwingend erforderlich – eine Einbeziehung von Verschwörungsmythen, menschenverachtenden Äußerungen oder der Leugnung der Gefahr durch den Virus hilft dabei jedoch nicht weiter. Mehr noch, diese Haltungen zerstören jeden vernünftigen Diskurs. Eine Zusammenarbeit mit Demonstrationsorganisatorinnen und die Organisation bzw. Teilnahme an Kundgebungen, die sich von Menschenfeindlichkeit und Verschwörungsmythen nicht klar distanzieren und Anhänger*innen von entsprechenden Ideologien nicht von der Teilnahme ausschließt, ist für uns GRÜNE daher mit unseren Werten unvereinbar und selbstverständlich ausgeschlossen.

Darüber hinaus sind die Demonstrationen vom vergangenen Wochenende auch aus einer Perspektive des Infektionsschutzes problematisch. Denn es ist derzeit unverantwortlich, sich in großer Zahl ohne den nötigen Mindestabstand zu versammeln. Absolut klar ist für BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN in Bayern: Der Wesensgehalt des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit darf auch in Zeiten der Pandemie nicht angegriffen werden. Wir GRÜNE haben deshalb von Anfang an für die Versammlungsfreiheit auch in Krisenzeiten gekämpft und werden dafür immer eintreten: Infektionsschutz und Versammlungsfreiheit gehen zusammen, wenn sich alle Beteiligten an die Regeln halten. Da das leider bei einigen Demonstrationen nicht geklappt hat, erwarten wir, dass die Staatsregierung ein detailliertes Konzept zur Durchführung des verfassungsrechtlich garantierten Demonstrationsrechts in Zeiten der Pandemie umsetzt. Die Auflösung von Versammlungen und insbesondere der Einsatz von unmittelbarem Zwang dürfen dabei nur als absolute ultima ratio herangezogen werden. Stattdessen benötigen wir ein kluges und am Infektionsschutz orientiertes Durchführungskonzept, das im Vorfeld von angemeldeten Veranstaltungen bereits erkennbar kritische, dynamische Entwicklungen identifiziert und passgenaue Auflagen enthält. Diese Auflagen sind durch ein lageangepasstes polizeiliches Einsatzkonzept zu ergänzen. Das Einsatzkonzept orientiert sich weiterhin streng an der bewährten Deeskalationsstrategie. Hierbei ist besonderer Wert auf den größtmöglichen Infektionsschutz der beteiligten Einsatzkräfte zu legen. Mängel bei den Vollzugshinweisen zur Durchführung von Versammlungen im Geltungsbereich der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung dürfen nicht zu Lasten der Polizist*innen vor Ort gehen.

Darüberhinaus setzen wir GRÜNE uns weiterhin dafür ein, dass die Verbindungen in die rechtsextremistische Szene aufgeklärt und nachverfolgt werden. Die Sicherheitsbehörden sind verpflichtet dort genau hinschauen, denn diese Gruppen versuchen unsere Demokratie zu schwächen. Parallel dazu muss die Aufklärungsarbeit über Verschwörungsmythen massiv aufgewertet werden. Wir setzen uns weiter für mehr Demokratiebildung und Medienkompetenz, sowie für die Stärkung der Zivilgesellschaft ein. Dafür braucht es ein Demokratieförderungsgesetz, eine Zentrale Koordinierungsstelle Demokratie sowie ein eigenes Landesprogramm zur Stärkung der Zivilgesellschaft.

Vor uns liegt noch ein langer und auch schwerer Weg zur Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen. Wir werden ihn erfolgreich gehen, wenn wir als Gesellschaft Hass, Hetze und Desinformation mit aller Schärfe entgegentreten und uns gemeinsam von den Ergebnissen sachlicher, ernsthafter und zukunftsorientierter Diskussionen leiten lassen.

Beschluss des Landesausschusses von Bündnis 90/Die Grünen Bayern am 14. Mai 2020

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