Die Streuobstwiese – volles Aroma und hohe Artenvielfalt

Die Streuobstwiese ist eine Form des extensiven Obstanbaus mit langer Tradition. Früher hatte fast jedes Dorf einen Gürtel von Obstbäumen rund ums Dorf. Die Obstbäume versorgten die Dorfbewohner mit Obst und boten gleichzeitig einen gewissen Schutz vor Wind und Wetter.

Bei einer Streuobstwiese stehen hochstämmige Obstbäume unterschiedlichen Alters weit auseinander (verstreut) auf einer Wiese. Apfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen Walnüsse und Speierling sind die gängigsten Arten. Meist handelt es sich dabei um alte Sorten, die je nach Bodenbeschaffenheit ausgewählt wurden.

Während die Bäume zur Obsterzeugung dienen, wird das Gras der Wiese als Grünfutter, Heu oder Einstreu verwendet. Das Gras wird nur einmal bis zweimal jährlich gemäht. Eine weitere Nutzungsform ist die extensive Beweidung mit z.B. Rindern oder Schafen.

Durch die extensive Nutzung und den weitgehenden Verzicht auf Pestizide und Dünger bildet sich  eine sehr artenreiche, gut besonnte Pflanzengesellschaft aus Gräser, Wildblumen, Wildkräutern und eventuell auch niedrigen Stauden. Von dieser Krautschicht und natürlich auch von den Blüten und dem Holz der Obstbäume werden viele, zum Teil seltene, Tierarten angezogen. Insekten finden Nektar und Pollen an den Blüten und besiedeln mit Spinnen und Tausendfüßler die Krautschicht und die rissige Borke der alten Bäume. Steinkauz, Grünspecht, Buntspecht, Wendehals und viele Singvögel finden sich ein, um entweder vom Reichtum der Gliederfüßler zu profitieren oder vom reichhaltigen Samenangebot der Krautschicht. Fledermäuse, Siebenschläfer und Gartenschläfer nutzen alte Spechthöhlen oder Höhlen, die sich zum Beispiel aus Astabbrüchen gebildet haben. Igel, Feldmaus, Feldhase und Rehe fressen das Fallobst. Kurzum, in einer Streuobstwiese mit alten Obstbäumen kommen mehr als 5000 unterschiedliche Pflanzen- und Tierarten vor.

Und der Mensch profitiert auch von den alten Obstsorten. Sie sind deutlich schmackhafter und oft auch verträglicher als das Plantagenobst aus konventionellem Obstanbau. Apfelallergiker vertragen zum Beispiel oft alte Apfelsorten. Warum geht dann aber die Anzahl der Streuobstwiesen stetig zurück, wenn sie doch so viele Vorteile hat? Die Antwort liegt wie so oft in der Wirtschaftlichkeit. Das beginnt schon mit dem Ertrag pro Hektar. Stehen bei einer Streuobstwiese je nach Art 60 – 120 Bäume pro Hektar, so sind des bei den Plantagen 2000 – 3000. Die Verwendung von verschiedenen Obstsorten und Obstarten bedeutet auch unterschiedliche Reifezeiten mit der Konsequenz von mehreren Ernteeinsätzen im Jahresverlauf. Außerdem muss das Gras ein- bis zweimal jährlich gemäht und entfernt werden. All diese Faktoren machen das Obst aus Streuobstgärten teurer als Plantagenobst und der Verbraucher (also wir) ist oft nicht bereit zum Beispiel für einen etwas rustikaler aussehenden Apfel etwas mehr zu bezahlen als für einen schönen prallen Plantagenapfel, obwohl der Streuobstapfel ein deutlich besseres Aroma hat. Also: Streuobst und dessen Produkte wie zum Beispiel Obstsaft, Most oder Obstbrände lohnen den höheren Preis durch deutlich intensiveren Geschmack und fördern den Erhalt von Streuobstwiesen.

Klaus Dehler

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